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Das Vollplaybacktheater interpretiert: Die drei ??? und der grüne Geist


20.03.2017 20:00

Ghostbusters mal anders:
Das VPT bietet eine rasante Revue durch Hörspielwelten, Zitate und Popkultur.

Das Vollplaybacktheater interpretiert: Die drei ??? und der grüne GeistDer Saal ist voll, das Publikum gespannt: Was gleich auf der Hörspielkassette geschehen wird, eigentlich weiß man es schon längst. Dennoch hat keiner eine Ahnung, was für eine Pointe dazu auf der Bühne gezündet wird. Das Spiel mit der (und gegen die) Erwartung beherrschen die sechs Protagonisten des Vollplayback-Spektakels perfekt, die Fans lieben sie dafür. Zack, Punchline, überraschender Twist – Begeisterung! Der Spaß ist garantiert, das Projekt an sich reicht allerdings längst weit über vordergründige Lacher hinaus.

Klassik und Spucke
Das klassische Jugendhörspiel - von Hanni & Nanni bis zu den drei Fragezeichen - hat mittlerweile den Begriff der Kulturgemeinschaft erweitert hin zu einer Popkulturgemeinschaft. Eher noch als Schillers »Glocke« können ganze Generationen den Text der Eröffnungsmelodie der »5 Freunde« auswendig. Diese Hörspiele an sich und ihre Interpretationen sind mehr als nur kleine Kunstformen, das weiß jeder Anhänger, doch dass sich diese Erkenntnis sogar bis in die Theater rumgesprochen hat, verdankt man einem verrückten Einfall aus Wuppertal. Ende des letzten Jahrtausends ist es gewesen, dass dort ein paar Freunde und Hörspiel-Ultras vor einer Schnapsidee saßen, die auch noch am Morgen danach unglaublich reizvoll klang: Wie wäre es, aus dem eigentlich sehr hermetischen, sehr privaten Erlebnis des Kassette-Hörens ein Event zu machen? Aus dem Patchwork unzähliger Phantasien, das sich um jene Abenteuer rankt, eine ganz eigene Show erdenken. Mit viel Nägeln, Spucke, Detailwissen und Detailverliebtheit – sowie nächtelangem Schauen von klassischen Stummfilmen aus den frühen zwanziger Jahren. Letztendlich gelangte mit »Die drei Fragezeichen – Das Geheimnis der Särge«) die erste Aufführung des VollPlaybackTheaters auf die Bühnen, wir schreiben das Jahr 1997. Die darauf folgende Resonanz sollte die Gruppe, die bis heute komplett aus Autodidakten (mit Rampensau-Background) besteht, nachhaltig erschüttern. Aus der Schnapsidee wurde nicht nur ein Erfolg, der es auf mittlerweile rund eine halbe Million Besucher seit Bestehen bringt, sondern aus der Sache wurde eine Passion für die sechs festen Ensemble-Mitglieder. Wobei schon die geringe Fluktuation für die Stabilität der Geschichte spricht: Derjenige, der zuletzt dazu stieß und in der Gruppe folgerichtig als »Der Neue« gerufen wird, ist nun immerhin auch schon zehn Jahre dabei.

Kein Schlaf bis Wuppertal
Dort, wo die Mitglieder anderer Bands sich nach einigen Jahren oft in alle Winde zerstreuen, haftet diesem Projekt die nötige Kontinuität an. Ernsthaft? Wuppertal als place to be? Why not! Es kommt drauf an, was man draus macht. Und ähnlich wie bei den Bühnenaufbauten legt man auch bei der beschaulichen Stadt mit Schwebebahn selbst Hand an, um eine Welt zu erschaffen, auf die man genauso Bock hat. So werden dort die unterschiedlichsten Veranstaltungen aufgestellt, an der Vision von Utopiastadt wird mitgestaltet und Dokter Thomas und SupaKnut unterhalten sogar einen geekig aufgebrezelten Minigolf-Park: »Supagolf-Länd«. Das ist hochverdichtete Freizeitkunst, das alles ist aber auch eine Antwort auf die Frage, wie man leben möchte. Ach ja, und richtig gelesen mit »Band« eben. Das VPT besitzt sowohl auf wie neben der Bühne viel mehr von einer Rockband denn von einem klassischen Theaterensemble. Das spiegelt sich auch in ihrer Arbeitsweise wider.

Nur ein geringer Prozentsatz der jeweiligen Show entsteht zum Beispiel separiert auf der stillen Treppe, das meiste, was dann auf der Bühne zu sehen ist, erarbeitet sich das VPT beim Proben, also quasi bei ihrem bandinternen Jammen.

Routine macht keinen Spaß
»Wir könnten es uns einfach machen,« sagt David J. Becher, »wenn auf der Bühne zwei Personen stehen, die Arme ausbreiten und man nur ein bisschen Schiffsrumpf erahnt, hast Du schon die Lacher. Denn jeder erkennt die Anspielung: Titanic!« Schnell war aber klar, wer so eine Geschichte wie ein Vollplaybacktheater gerade auch für sich selbst spannend und unberechenbar halten will, darf sich nicht von Routine, allzu naheliegenden Running Gags und Dienstleistungshumor abfüllen lassen. Der feste Wille, Ermüdungsbrüchen vorzubeugen, ist so einer der Garanten der Langlebigkeit dieser Idee geworden. So interpretiert man auch schon immer weit mehr als bloß die drei Fragezeichen. Jene Alphatiere des Kassettenkinderuniversums spielen zwar beim VPT eine gewichtige Rolle, doch es gibt noch so viel mehr. Der Geisterjäger John Sinclair stand genauso bereits im Mittelpunkt wie TKKG und Flash Gordon, oder man lässt einfach gleich Hanni & Nanni ins Weltall aufbrechen. »Okay, mit der Nummer hatten wir es vielleicht ein bisschen überrissen«, grinst David. Das VPT ist und bleibt eben auf der Suche und lotet das selbsterfundene Prinzip der visuellen Synchronisation mit jeder neuen Show weiter aus. Aus den ohnehin gern eingestreuten Filmzitaten emanzipierte sich 2014 sogar ein eigenes Stück: Die Vollplayback-Version von »Pulp Fiction« bewies dabei eindrucksvoll, dass Hörspiele zwar die Basis der Gruppe darstellen, aber auf keinen Fall ihr Limit.

Die Macht des Returns
Was das VollPlaybackTheater aufstellt, ist eine Mischung aus Bastard-Pop, SketchUp, japanischem Kabuki, amerikanischem Slapstick und vor allem universeller Nerd-Kultur. Aus diesem postmodernen Hybrid schafft sich die Gruppe immer wieder aufs Neue ein Fest der Möglichkeiten. Diese nutzen sie dann, um angemessen (oder auch unangemessen) auf das zu reagieren, was die ablaufende Tonspur auf der Bühne ansagt. Diese Kunst der Reaktion hat ohnehin stets Konjunktur: Denn das geschlagene Ass auf dem Tennisplatz verblasst mitunter durch den noch besseren Return. Return, darum geht es. Im analogen Alltag wie auch in Echtzeit-Diskussionen auf Social Media. Wer hat sich nicht schon mal geärgert, dass ihm die beste Replik erst auf dem Weg nach draußen eingefallen ist? Diesen Kampf um die perfekte Reaktion führt das VPT stellvertretend für den Zuschauer. Für die Dauer einer Show kann man dann zumindest sicher sein, dass er bravourös gewonnen wird.

Der grüne Geist
Der unterhaltsame Schlagabtausch mit der Hörspiel-Kassette geht Anfang 2017 in die nächste Runde. Ein weiterer Fall der drei Fragezeichen findet sich ins System VPT überführt: »Der grüne Geist«, ein absoluter Klassiker der Reihe, bei dessen Aufführung die Suche nach der verdammten Perlenkette nur Kulisse darstellen wird für einen Parforce-Ritt aus Überraschungen, Pointen und Reaktionsschnelle. Es lebe der Return.

Gießen
20.03.2017
Beginn: 20:00 Uhr / Einlass: 19.00 Uhr
Gießen - Kongresshalle
Tickets 28,25 Euro bei allen bekannten VVK-Stellen oder unter www.adticket.de

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